Dreizehnter Expertentag - Donnerstag, 26. Januar 2023
Beim Expertentag der Tiroler Versicherungsmakler im WIFI Tirol diskutierten die Branchenvertreter:innen den gesellschaftlichen Wandel seit 2020 und die darauf fußenden Auswirkungen auf das Versicherungswesen. Rund 160 Versicherungsmakler:innen sowie Vertreter:innen der Tiroler Versicherungswirtschaft folgten der Einladung von Michael Schopper, Obmann der Fachgruppe Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten in Tirol.
„Die Versicherungsbranche hat die Coronakrise gut gemeistert und der Versicherungsvertrieb funktioniert wieder fast gleich wie vor der Pandemie. Man arbeitet nach alten Mustern und setzt auf persönliche Betreuung", erklärte Robert Sobotka vom Marktforschungsinstitut Telemark Marketing. Laut Trendreport der Versicherungsbranche in Österreich, bei dem die Entscheidungsträger:innen der Branche interviewt wurden, haben die Vorteile der Digitalisierung nur in bestimmten Bereichen Niederschlag gefunden. So verlieren alternative Vertriebswege teilweise sogar an Bedeutung – Online-Abschlüsse stagnieren und beschränken sich großteils nur auf Nischenprodukte.
Dennoch hat die Digitalisierung die Arbeit im Versicherungsinnendienst beträchtlich verändert. „Homeoffice hat sich etabliert und im Schnitt wird ein Arbeitstag pro Woche zu Hause verbracht. Immerhin 50 % der Mitarbeiter:innen nutzen die Homeoffice-Möglichkeit", so Sobotka. Im Gegensatz zu Kundenterminen, die nach wie vor „face to face“ stattfinden, werden interne Meetings immer öfter digital durchgeführt. Auch die digitalen Prozesse – etwa digitale Antragsabwicklung, Fernsignatur oder digitale Schadensbearbeitung – wurden kontinuierlich weiterentwickelt.
Als determinierend für die Entwicklung der Versicherungsbranche kristallisieren sich für Sobotka aktuell drei Megatrends heraus:Die gegenwärtig hohe Inflation, der Klimawandel sowie der Arbeitskräftemangel. Die Inflation wird kurzfristig zu höheren Einnahmen im Prämienbereich führen. Aber auch die Kosten – etwa zur Kompensation der Schäden – werden entsprechend steigen. Hier stellt sich die Frage, ob die Mehrkosten kurzfristig stärker ansteigen als die Erträge, was zu finanziellen Problemen führen könnte. Beim Bestandsgeschäft wird es zu keiner großen Stornowelle kommen, während man in der Branche aufgrund von möglichen Reallohnverlusten in der Bevölkerung beim Neugeschäft im Bereich von (langfristigen) Vorsorgeprodukten mit negativen Auswirkungen rechnet.
Die größten Auswirkungen auf die Versicherungsbranche werden in den nächsten Jahren eindeutig der Klimawandel und Umweltschutz haben. Nachhaltiges Agieren nach ESG-Kriterien – Kriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung – wird zu einem großen Thema werden. Auch wenn derzeit aufgrund einer drohenden Rezession etwas gebremst wird, stellen sich fast alle Unternehmen die Frage, wie sie durch nachhaltigeres Agieren erfolgreich sein können. In jedem Fall werde der Klimawandel zu vermehrten Schäden durch Naturkatastrophen führen, was auch die Prämien der betroffenen Versicherungsprodukte steigen lässt.
Was den Arbeitsmarkt betrifft, so wird es auch langfristig schwierig werden, geeignete Mitarbeiter:innen zu finden. Nachdem speziell im Außendienst sowie bei den Versicherungsmakler:innen in den nächsten Jahren mit einer Pensionswelle gerechnet wird, wird sich der Arbeitskräftemangel noch weiter verstärken. Hier gilt es, die Branche im Vergleich zu anderen Branchen attraktiver zu gestalten. Homeoffice, flexible Wochenstunden und betriebliche Gesundheitsvorsorge sind nur einige Punkte, bei denen die Versicherungsbranche neue Lösungen finden muss.
Ein weiterer großer Bereich, der bereits zur Normalität geworden ist, sind Cyberbedrohungen. „Deshalb sollte dem Thema IT-Security in jedem Unternehmen höchste Priorität eingeräumt werden“, appelliert Lisa Promok von der Paris Lodron Universität Salzburg. Als oberstes Gebot sollten Mitarbeiter:innen regelmäßig auf aktuelle Cybercrime-Gefahren hingewiesen werden, denn die Folgen von Cyberattacken sind immens. Neben den Kosten für Datenwiederherstellung, möglichen Betriebsunterbrechungen sowie Kosten für externe Beratung kommen auch noch mögliche Erpressungsgelder, Betrugsschäden sowie Schäden an der Reputation hinzu. Promok rät darum neben Prävention und ständiger Schulung der Mitarbeitenden auch zu einer Cyberversicherung. Die Expertin geht davon aus, dass es in diesem Bereich aufgrund der relativ jungen Produkte, der Komplexität der Ausgestaltung und der ständig neuen Delikte in den nächsten Jahren zu großen Herausforderungen für Versicherungen wie auch für die Gerichte kommen wird.